Warum Gleichstellung und Genderperspektive?

Kajsa Wahlström erzählt:

- Jeden Augenblick und jede Sekunde haben Erzieher/innen und andere Erwachsene unbewusst ganz unterschiedliche Erwartungen an Mädchen bzw. Jungen und diese Einstellung führt zu einengenden, begrenzenden Rollen. Dies entwickelt sich zu Hindernissen in den meisten Bereichen des Lebens und wirkt sich sowohl auf die Möglichkeit des Einzelnen, glücklich und erfüllt zu leben, wie auch auf andere gesellschaftliche Bereiche – beispielsweise Verkehrsopfer, Gesundheit und Wirtschaft aus. Die meisten denken doch hauptsächlich an Gehaltsunterschiede und Vorstandsposten. Beides ist notwendig.

Das schwedische Gesetz besagt, dass Frauen und Männer die gleichen Möglichkeiten, Rechte und Verpflichtungen in allen wesentlichen Bereichen des Lebens haben sollen. Wie entstehen Ungleichheiten? Meine Forschung zeigt, dass die gesellschaftlichen Ungleichheiten durch die Erwartungen und Vorstellungen von Erwachsenen geschaffen werden. Dies verursacht folgendes:

Mädchen

  • werden körperlich und geistig verringert
  • werden als Hilfserzieherinnen benutzt
  • werden für ihr Aussehen gelobt
  • dürfen nicht Nein sagen
  • wird mit einer begrenzenden Körpersprache gegenübergetreten, die zu Untätigkeit ermuntert.
  • Die Unterhaltung mit Mädchen dreht sich um Beziehungen, Aussehen und Gefühle.


Jungen

  • wird viel Platz eingeräumt
  • werden oft sehr streng ermahnt
  • bekommen Aufmerksamkeit für falsches Verhalten oder große, messbare Dinge
  • dürfen Nein sagen
  • wird mit ausholenden Bewegungen und einer offenen, aufrechten Körperhaltung gegenübergetreten, die zu Tätigkeit usw. ermuntert.
  • Die Unterhaltung mit Jungen dreht sich um messbare Dinge, wie Größe, Geschwindigkeit oder Anzahl.


Wozu führt dies? Unbewusst enthalten wir den Mädchen die „halbe Welt“ und den Jungen die andere Hälfte. Ich nenne das Diskriminierung. Es führt zu Machtungleichgewicht und ist ein Nährboden für Gewalt und Mobbing. Was können wir stattdessen tun? Sinn und Zweck der Gleichstellungspädagogik und Genderarbeit ist es, die Rollen von sowohl Mädchen wie auch Jungen zu erweitern, sie an dem Monopol des anderen teilhaben zu lassen, so dass sie später im Leben eigene Entscheidungen aus sich selbst heraus treffen können statt von Geschlechterrollen begrenzt zu werden.

Wir müssen ihnen die Voraussetzungen geben, sich ein gutes, positives Selbstgefühl zu erschaffen. Moment! Lesen Sie es nochmal: Wir müssen ihnen die Voraussetzungen geben, sich ein gutes, positives Selbstgefühl zu erschaffen. Dies sind wichtige Worte, die zu Handlung und Verwirklichung auffordern. Wir müssen den Mädchen Mut, Kraft, eigenen Willen, Aktivität, Bewegung und Tatkraft geben, sie müssen ihre Bedürfnisse ausdrücken dürfen und sie zufriedengestellt bekommen. Wir können den Jungen Rücksichtnahme, Sprache und Begriffe, Nähe, Körperkontakt und Einfühlungsvermögen beibringen und sie ermuntern. Wir können und müssen allen Kindern Freude und ein gutes Selbstgefühl vermitteln.

Erzieher/innen, die mit dieser Pädagogik arbeiten sollen, müssen natürlich zunächst selbst Kenntnisse erwerben und es muss ihnen die Möglichkeit gegeben werden, ihre eigenen positiven Seiten zu stärken. Gedanken schaffen Wirklichkeit. Gute Gedanken und Freude als Arbeitsmethode führen zu positiven Leistungen.

Entweder oder – sowohl als auch?

Gleichstellung und Macht sind untrennbar. Als Mann die Rolle der Hauptperson zugesprochen zu bekommen, Aufmerksamkeit und Vortritt zu bekommen und andere unterbrechen zu dürfen, führt zu Macht und Überordnung. Doch wird ihnen die andere Hälfte des Lebens vorenthalten, wie Beziehungen, Gefühle, Nähe (was Frauen gegeben wird). Das schränkt sowohl Frauen wie auch Männer ein.

Wenn wir Leiter/innen von Kindertagesstätten und Schulen zusammen mit Eltern und anderen Gesellschaftsmitgliedern die Gleichstellung verbessert haben, wird die Macht auf eine bessere Art verteilt werden. Wenn Gleichstellung erreicht wird, wird sich auch das Problem der Gehaltsunterschiede lösen und alle das gleiche Gehalt für gleichwertige Arbeit erhalten. Einzig die Gehaltsunterschiede zu lösen ist nur Teil des Problems und verändert die Ungleichstellung nicht. Das wichtigste ist die Veränderung der eigenen Einstellung und Erwartungen, die den sozialen Umgang, die Machtverteilung und Rollen bestimmen. Sie werden sonst weiterhin einengend auf das Leben von Mädchen, Jungen, Frauen und Männer einwirken.

Ein Hindernis auf dem Weg ist die Furcht, dass wir versuchen, die Rollen zu tauschen, doch so ist es nicht. In Wahrheit wollen wir die Rollen ERWEITERN und AUSDEHNEN zur GLEICHHEIT ALLER. Geschirr abwaschen oder das Auto waschen zu können ist eine Nebensächlichkeit, es ist die Rolle, die wir haben, wenn wir die Aufgabe ausführen, die ausschlaggebend dafür ist, ob Gleichstellung herrscht.